Bruther

Construire libre

29.04. – 02.07.2023

Bruther wurde 2007 von Stéphanie Bru und Alexandre Theriot in Paris gegründet und gehört zu den herausragenden Architekturbüros in Frankreich. Mit ihren Arbeiten wollen Bru und Theriot auf soziale Fragen antworten und sich nicht primär von ästhetischen Vorstellungen leiten lassen. Die Beziehung zum Ort, an dem ihre Gebäude entstehen, ist für sie von großer Relevanz. Die oftmals angespannten sozialen Kontexte, in denen ihre Bauten errichtet werden, betrachten sie als stimulierend und phantasieanregend. Hier wollen sie mittels ihrer Architektur einen Ausgleich schaffen. Dabei ist ihr Ansatz weniger ein stadtplanerischer, denn ein architektonischer; in den Augen Bruthers der weitaus wirkungsvollere. Es ist faszinierend zu sehen, wie der Ort ihre Gebäude prägt, aber auch umgekehrt, der Ort von ihren Gebäuden geprägt wird.

Für Bruther gibt es in der Architektur keine unumgänglichen Regeln oder unantastbaren Konventionen. Sie sind weder dogmatisch, noch basiert ihre Architektur auf einer allem zugrundeliegenden Theorie. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht das Machen; für die Architekten eine andere Art des Denkens. Machen bedeutet, die Dinge allmählich zum Vorschein kommen zu lassen, Schritt für Schritt. Im Prozess des Machens stoßen sie immer wieder auf Themen, die bearbeitet werden müssen, und Schwierigkeiten, für die es gilt, Lösungen zu finden. Es sind die Momente, in denen, nach ihrer Überzeugung, die besten Ideen und die innovativsten Lösungen geboren werden. Und so betrachten sie jedes ihrer Projekte als eine Ansammlung verschiedener Themen, die im Verlauf des komplexen Planungs- und Entstehungsprozesses eines Gebäudes bearbeitet werden.

Der Prozess des Planens und Bauens erzwingt immer wieder das Fällen von Entscheidungen. Dies ist jedoch keine lästige Notwendigkeit, sondern vielmehr der Inbegriff von Freiheit.
Die Entscheidungen, die sie treffen, zeitigen ästhetische und formale Konsequenzen, werden aber niemals von diesen begründet. Dies gilt auch für die Fassaden ihrer Gebäude. Sie unterliegen weder einer vorgefassten gestalterischen Vorstellung, noch sind sie das Resultat eines isolierten kompositorischen Bemühens. Die Gebäudefassaden sind die logische Konsequenz des Zusammenfügens autonomer Elemente zur Erfüllung unterschiedlicher Funktionen. Sie sind neutral, regulieren primär die atmosphärische Qualität der Innenräume und vermitteln auf positive Weise zwischen dem Innen und Außen. Die Fassaden ihrer Gebäude sind sorgfältig durchdachte technische Elemente mit einem Fokus auf Leistungsfähigkeit und Effizienz. Mit dem Ziel, das Gebäudeinnere nicht zu verschleiern, sondern die Baustruktur frei und damit die Identität des Gebäudes offenzulegen, sind die Hüllen ihrer Gebäude meist transparent gehalten. Auch wenn sie das äußere Erscheinungsbild ihrer Bauten als zwangsläufiges Resultat aufeinanderfolgender Problemlösungen beschreiben, sind ihre Bauten doch von großer Anmut und Zeugnisse hoher gestalterischer Begabung.

Mit ihrer Architektur wollen sie in relevanter Weise einen Beitrag zur Verbesserung der Welt leisten. Die Herausforderung hierbei sehen sie darin, zeitgenössisch zu agieren, aber gleichzeitig zeitlose Erwartungen und den Augenblick überdauernde Notwendigkeiten zu erfüllen.
Die ausgeprägte Instabilität der Gegenwart und unsere Unfähigkeit, Zukunft zu antizipieren, haben Stéphanie Bru und Alexandre Theriot zu der Überzeugung geführt, dass Gebäude die Fähigkeit haben müssen, sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen. Die Räume und Strukturen ihrer Bauten sind daher nicht deterministisch, sondern beanspruchen eine Neutralität, die Möglichkeiten offenlässt. Hier liegt für sie die Grenze zwischen dem, was sie beeinflussen können und dem, was sich ihrem Einfluss entzieht.

Die oftmals knappen Budgets bedeuten für die beiden Architekten und ihr Team keine Einschränkung, sondern die Herausforderung, auch mit begrenzten Mitteln passende architektonische Lösungen zu finden. Nicht zuletzt aufgrund der knappen Budgets nutzen sie oftmals Standardprodukte, die von Bru und Theriot jedoch in nicht-standardisierter Art und Weise verbaut werden. Diese Strategie ist die einer Bricolage. Mit diesem vom französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss eingeführten Begriff wird eine Methode bezeichnet, bei dem der Akteur mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen Probleme löst, statt sich besondere, speziell für das Problem entworfene Mittel zu beschaffen. Dabei werden von Bru und Theriot nicht selten Elemente eingesetzt, die den allgemeinen Vorstellungen von Ästhetik entgegenstehen oder als unvereinbar mit anderen gelten. Sie werden aber nicht versteckt oder eingebettet; vielmehr wird ihr Anderssein geradezu zelebriert und bereichert die Architektur.

Auch Technik genießt bei Stéphanie Bru und Alexandre Theriot eine hohe Wertschätzung und ist in ihrer Arbeit ein entscheidendes Element. Technik besitzt nicht nur eine dienende Funktion gegenüber den Gebäuden und den darin lebenden Menschen, sondern prägt auch die Entstehung ihrer Architektur. Sie ist für die Architekten Hebel und Sprungbrett auf dem Weg zur Verwirklichung ihrer Ziele. Daher ist es nur folgerichtig, wenn die technischen Elemente in ihren Gebäuden nicht versteckt, sondern in ihrer betonten Sichtbarkeit zu wichtigen gestalterischen Elementen werden, welche die Räume bereichern. Damit verweisen ihre Bauten auf Vorbilder wie das Centre Pompidou von Renzo Piano und Richard Rogers, Cedric Prices Fun Palace oder Joseph Paxtons Crystal Palace.

Schließlich sind die Grundrisse ihrer Gebäude der Schlüssel zum Erfolg eines Projektes. Sie kommen als raffinierte Kompositionen aus klar definierten geometrischen Formen und einer nicht weiter zu reduzierenden Einfachheit daher. In ihrer Arbeit haben sie über die Jahre eine Vorliebe für bestimmte Formen entwickelt, die sich in ihren Bauten immer wiederfinden, nicht nur, weil sie diese besonders schätzen, sondern auch, weil sich diese als räumlich wie auch konstruktiv effizient erwiesen haben. Auf diese Weise hat sich ein Repertoire an Formen, unabhängig vom Baukontext, als Teil ihrer architektonischen Handschrift etabliert.

Für Bruther erzählt Architektur eine Geschichte. Ein Narrativ, welches für diejenigen, die das Gebäude entwickelt haben und für diejenigen, die es nutzen, eine ganz besondere Reise darstellt. Aber wie sollen diese Geschichten, die sich aus vielen einzelnen Geschichten zusammensetzen, erzählt werden? Welches Format wählt man, um von der Arbeit dieses Architekturbüros zu erzählen? Dieser Frage sind Stéphanie Bru und Alexandre Theriot in der Konzeption der Ausstellung CONSTRUIRE LIBRE nachgegangen.

Die Ausstellungsreihe Baukunst wird kuratiert von Andreas Wannenmacher und findet in Kooperation mit dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA statt.

KUNSTVEREIN BIELEFELD
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